Was würde es bedeuten, wenn Cannabis legal erhältlich ist? In der Weed-Care-Studie wird dies untersucht. Der Studienleiter Marc Walter spricht über bisherige Erfahrungen und erhoffte Antworten.
400 Baslerinnen und Basler haben die einzigartige Gelegenheit, Cannabis legal erwerben zu dürfen: Sie nehmen an der Weed-Care-Studie teil. Diese will herausfinden, welchen Einfluss eine Legalisierung von Cannabis auf den Konsum, den Jugendschutz und auf den Schwarzmarkt hätte. Bei Unisonar erzählt der Studienleiter Marc Walter, wie die Studie angelaufen ist, wie teuer das legale Cannabis verkauft wird und wie er zu einer Legalisierung von Cannabis steht.
00:00:01:06 - 00:00:40:15
Marc Walter
Wir sehen das, was wir natürlich auch aus der Suchtmedizin kennen, dass viele Cannabisuser einen unproblematischen Konsum haben vom Cannabis. Das ist überhaupt wie bei jeder Droge, die im Gehirn wirksam ist ein Mass der Dosis. Und jede Dosis kann entscheiden darüber, ob das schädlich ist oder nicht schädlich ist. Eine Regulierung ist einfacher auch durchzuführen, wenn man weiss, was nicht funktioniert und das vielleicht auch einzubauen in Regulierungsmassnahmen und nicht nachher feststellt, das ist vielleicht ist vielleicht etwas, was man noch einbauen sollte ins Gesetz.
00:00:40:15 - 00:00:50:04
Marc Walter
Oder sind bestimmte Regulierungsmassnahmen nötig?
00:00:50:06 - 00:01:04:00
Catherine Weyer
Hallo und herzlich Willkommen bei Unisonar, dem Wissens-Podcast der Universität Basel, heute mit dem Weed-Care-Studienleiter Marc Walter. Er untersucht, welche Auswirkungen ein legalisierter Cannabiskonsum hätte. Herzlich willkommen, Herr Walter.
00:01:04:02 - 00:01:05:16
Marc Walter
Danke, dass ich hier sein darf.
00:01:05:18 - 00:01:19:12
Catherine Weyer
Mein Name ist Catherine Weyer. Bei Unisonar tauchen wir mit Expert*innen der Universität Basel auf den Grund ihrer wissenschaftlichen Forschung. In dieser Staffel sprechen wir über Drogen. Herr Walter, um was genau geht es bei der Weed-Care-Studie?
00:01:19:14 - 00:01:41:05
Marc Walter
In der Weed-Care-Studie wollen wir untersuchen, welche Effekte eine Regulierung von Cannabis, also ein Verkauf von Cannabis, auf das Konsumverhalten hat und auf die psychische Gesundheit. Wenn man dazu übergeht und sagt: Wir wollen weg vom Verbot von Cannabis und überhaupt den Cannabiskonsum regulieren in der Schweiz.
00:01:41:07 - 00:01:47:16
Catherine Weyer
Andere Länder haben ja den Cannabiskonsum einfach legalisiert. Weshalb möchte man hier das wissenschaftlich begleiten?
00:01:47:18 - 00:02:17:10
Marc Walter
Natürlich kann man das auch so machen wie andere Länder, dass man einfach sagt, wir legalisieren und schauen, was rauskommt. Die Schweiz hat ja einen anderen Weg gewählt. Es ist ja auch durch eine Änderung im Gesetz entstanden. Durch den Experimentierartikel und dadurch die Möglichkeit, die Studien vorgängig durchzuführen. Aus meiner Sicht, ich spreche jetzt als Wissenschaftler, ist es natürlich besser, auf diese Art und Weise das durchzuführen, weil man dann auch eine andere Grundlage hat.
00:02:17:12 - 00:02:43:14
Marc Walter
Man muss sagen, dass natürlich andere Länder nicht direkt eine Stichprobe untersuchen, sondern nur Vorher-Nachher-Vergleiche machen können. Eine Regulierung ist einfacher auch durchzuführen, wenn man weiss, was nicht funktioniert und das vielleicht auch einzubauen in Regulierungsmassnahmen und nicht nachher feststellt das hat vielleicht ist vielleicht etwas, was man noch einbauen sollte ins Gesetz. Oder sind auch bestimmte Regulierungsmassnahmen nötig?
00:02:43:16 - 00:02:52:20
Marc Walter
Das wäre dann auch aus meiner Sicht eher zu spät, sondern ist günstiger, vielleicht vorher schon Risiken abwägen zu können, um die dann so ins Kalkül einzubeziehen.
00:02:52:22 - 00:02:57:08
Catherine Weyer
Die Studie läuft seit Januar. Haben Sie schon gewisse Zwischenergebnisse?
00:02:57:10 - 00:03:23:14
Marc Walter
Vielleicht für Zwischenergebnisse etwas früh. Was wir sagen können schon jetzt ist, dass die Stichprobe relativ gesund ist. Und wir sehen das, was wir natürlich auch aus der Suchtmedizin kennen dass viele Cannabis user ein unproblematischen Konsum haben vom Cannabis und der Anteil, der abhängig ist oder den problematischen Konsum, ist relativ gering. Und das sehen wir in unserer Stichprobe zum Beispiel auch.
00:03:23:16 - 00:03:27:16
Catherine Weyer
Gibt es von den Apotheken, die das Cannabis verkaufen, Rückmeldung?
00:03:27:18 - 00:03:56:17
Marc Walter
Ja, sie haben rückgemeldet, dass es auch relativ unproblematisch ist. Wir haben jetzt auch noch noch nie von der Polizei zum Beispiel Rückmeldungen bekommen. Oder wir mussten auch keinen Studienteilnehmer ausschliessen aus der Studie. Und die Apotheker melden auch zurück, dass sie relativ freundlich sind, dass sie auch nicht gedacht hätten, dass die Cannabiskonsumenten so fröhliche Zeitgenossen sind, sondern haben sich eher auf Probleme eingestellt, die auftreten können, wie es auch vielleicht bei anderen Suchtpatienten auftritt.
00:03:56:19 - 00:04:00:16
Marc Walter
Aber das ist bis jetzt alles sehr problemlos über die Bühne gegangen.
00:04:00:18 - 00:04:04:00
Catherine Weyer
Wie viel Cannabis können die Proband*innen denn in der Apotheke beziehen?
00:04:04:06 - 00:04:25:01
Marc Walter
Es gibt eine Obergrenze, die es für alle Pilotprojekte auch festgelegt, und die besagt, dass nicht mehr als zehn Gramm THC pro Monat verkauft werden können. Und das wird auch so eingehalten, weil es bestimmte Systeme auch gibt, die wir einbezogen haben. Dass man immer genau auch nachweisen kann, dass diese Obergrenze nicht überschritten wird.
00:04:25:03 - 00:04:27:17
Catherine Weyer
Und weshalb diese Grenzmenge?
00:04:27:19 - 00:04:47:20
Marc Walter
Das ist vermutlich so eine Grenze, wo die meisten Leute sagen, dass das zwar eine Menge ist, wo die meisten mit zurechtkommen, also dass sie auch nicht einen Schwarzmarkt mehr dazukaufen müssen, aber doch auch eine Grenze ist, wo wir zum Beispiel Abhängigkeitsentwicklung nicht zu stark fördern und die Grenze nicht zu weit nach oben gesetzt wird.
00:04:47:22 - 00:04:54:14
Catherine Weyer
Wie schwierig war es, Leute zu überzeugen, dass es nötig ist, eine illegale Droge in eine Studie aufzunehmen?
00:04:54:16 - 00:05:18:07
Marc Walter
Für uns war es relativ einfach, weil es natürlich ein Entscheid des Bundesrates war und insofern gewünscht war. Und es hat sich auch in der Bevölkerung natürlich die Stimmung zugunsten dieser Pilotprojekte geändert. Das war vor zehn Jahren noch nicht so, und es ist eigentlich immer weiter in diese Richtung gegangen, dass wir auch die Mehrheit der Bevölkerung, die das positiv sehen, dass die Versuche durchgeführt werden.
00:05:18:09 - 00:05:25:20
Catherine Weyer
Wenn jetzt ein Blick zurückwerfen, hat sich der Cannabiskonsum in den letzten Jahren verändert. Und weshalb macht man jetzt so eine Studie?
00:05:25:22 - 00:05:50:23
Marc Walter
Das genau auch ein Grund, warum die Studie auch durchgeführt oder bewilligt worden ist: Weil sich der Cannabiskonsum eben über die letzten zehn Jahre gar nicht geändert hat. Also die Personen, die die regelmässig Cannabis konsumieren in der Schweiz, es sind immer bei etwa 4 % der Bevölkerung geblieben über die letzten Jahre. Und das war auch so ein Grund, wo man eben gesagt hat, das hat sich nicht verändert.
00:05:51:00 - 00:06:02:20
Marc Walter
Das System, wie es zurzeit vorgängig vorherrscht, ist etwas, was nicht funktioniert. Und deswegen muss man auch etwas ändern in der Cannabispolitik.
00:06:02:22 - 00:06:13:02
Catherine Weyer
Aber dennoch: Cannabis ist eine illegale Droge. Es ist nicht verwerflich, wenn man jetzt 370 Leuten eine illegale Droge gibt und schaut, wie sie darauf reagieren?
00:06:13:04 - 00:06:35:20
Marc Walter
Also verwerflich würde ich natürlich nicht sagen. Das ist sie konsumieren das ja sowieso. Und als Suchtmediziner bin ich jetzt ja nicht Rechtswissenschaftler, sondern ich sehe, dass sie Cannabis konsumieren. Schon jetzt halt auf dem Schwarzmarkt. Und durch die Studie konsumieren sie weiter. Aber nur, dass sie quasi das Cannabis in Apotheken kaufen statt auf dem Schwarzmarkt. Das ist der einzige Unterschied.
00:06:35:22 - 00:07:12:05
Marc Walter
Uns interessiert es, was das für Veränderung macht, auf welche Weise das beschafft wird und konsumiert wird. Und natürlich ist Cannabis auch eine ganz andere Qualität, weil wir das jetzt ja legal anbauen. Die Konsumentinnen und Konsumenten wissen genau, was sie konsumieren. Da sind keine Streckmittel oder sonstige Schadstoffe enthalten, was eigentlich alles positiv ist. Und natürlich ist es illegal, aber im Rahmen der Studie darf man und kann man und soll man vielleicht auch diese Dinge durchführen, um dann zu Ergebnissen zu kommen, das Neue oder anders vielleicht beurteilen zu können?
00:07:12:07 - 00:07:15:07
Catherine Weyer
Wie gefährlich ist denn der Konsum von Cannabis überhaupt?
00:07:15:09 - 00:07:41:22
Marc Walter
Es ist so, dass Cannabis natürlich weiterhin eine Droge ist. Sie haben das, Sie haben das schon gesagt: Cannabis kann zu Abhängigkeiten führen. Das ist ein grosses Problem, was wir kennen und Cannabisabhängigkeit ist natürlich auch eine behandlungsbedürftige psychische Störung. Und zudem kann Cannabis auch Psychosen auslösen. Das sind vielleicht die beiden grossen Folgeschäden, die Cannabis machen kann, wenn Sie so wollen.
00:07:42:01 - 00:08:11:01
Marc Walter
Haben Sie Cannabis ähnlich wie das beim Alkoholkonsum auch ist, in gewisser Weise erst ein normalen Gebrauch, wenn Sie so wollen. Also keinen schädlichen Gebrauch. Und dann ist das wie bei jeder Droge auch, dass mit der Zeit das Problem und das Risiko einer Abhängigkeitsentwicklung grösser wird. Und das ist natürlich auch das Problem jetzt beim Cannabis, dass es irgendwann tatsächlich dann zu einer Cannabisabhängigkeit im engeren Sinne führt, die dann tatsächlich ein Problem darstellt.
00:08:11:03 - 00:08:36:08
Marc Walter
Wenn das nicht so wäre, dann wäre Cannabis auch schon längst legal und würde vielleicht auch als Medikament schon anders befürwortet, als es jetzt der Fall ist. Also es gibt dieses Risiko und es geht darum, dass die Menschen, die dieses Risiko haben, vielleicht auch so behandelt werden, dass sie eben nicht abhängig werden, sondern den Konsum so weit reduzieren, dass es, wenn Sie so wollen, ein normaler Konsum bleibt.
00:08:36:10 - 00:08:38:03
Marc Walter
Wie beim Alkohol zum Beispiel.
00:08:38:05 - 00:08:49:17
Catherine Weyer
Können Sie das einordnen? Wenn wir jetzt sagen, auf der einen Seite haben wir die legale Droge Alkohol und auf der anderen haben wir Heroin, das illegal ist, es sehr stark abhängig macht – wo bewegt sich da Cannabis auf dieser Skala?
00:08:49:19 - 00:09:07:06
Marc Walter
Und man würde Alkohol und Heroin sicher als schädlicher einschätzen. Und Cannabis ist aber auch nicht ungefährlich, wie ich schon gut skizziert habe. Aber es ist tatsächlich auch gefährlicher als zum Beispiel andere Psychedelika wie jetzt LSD oder so, die viel seltener eine Abhängigkeit machen als jetzt Cannabis zum Beispiel.
00:09:07:08 - 00:09:17:06
Catherine Weyer
Aber Sie würden sagen, Cannabis in der richtigen Dosierung kann man gut einnehmen und damit leben, ohne dass man extreme gesundheitliche Schäden davon zieht?
00:09:17:07 - 00:09:42:10
Marc Walter
Ja, das würde ich sagen. Das ist überhaupt wie bei jeder Droge, die im Gehirn wirksam ist. Ein Mass der Dosis. Und jede Dosis kann entscheiden darüber, ob das schädlich ist oder nicht schädlich ist. Und so wie Sie sagen, man kann natürlich weniger konsumieren. Und wir wissen jetzt aber noch nicht genau, wo die Grenze ist, weil es noch wenig Studien dazu gibt, dass es nicht schädlich ist, sondern vielleicht sogar hilfreich.
00:09:42:12 - 00:09:55:12
Marc Walter
Viele Menschen nehmen ja auch Cannabis, weil es in gewisser Weise ihnen hilft, sonst würden sie es ja auch nicht nehmen. Und das ist immer so die Frage der Selbstmedikation. Wo ist was noch hilfreich und wo fängt die Grenze an, dass es schädlich wird?
00:09:55:14 - 00:10:03:10
Catherine Weyer
Gibt es denn diese Grenze von einem problematischen Gebrauch, wo Sie sagen: Ab dann ist es ein Suchtverhalten, das eingegrenzt werden sollte?
00:10:03:12 - 00:10:34:08
Marc Walter
Es gibt tatsächlich so klare Kriterien, ab wann man von einem problematischen Gebrauch spricht oder von einer Abhängigkeit. Das ist so ein Verlangen oder ein Drang, eine bestimmte Substanz einzunehmen. Was wir auch als neudeutsch craving bezeichnen. Die Unfähigkeit, den Substanzkonsum zu kontrollieren, ist auch ein typisches Merkmal von Abhängigkeit. Dann gibt es eine Toleranzsteigerung, das heisst das sind auch alle Psycho Drogen Substanzen, die irgendwann, wo sie die Dosis erhöhen müssen, um den gleichen Effekt zu haben.
00:10:34:10 - 00:10:56:23
Marc Walter
Dann gibt es ein körperliches Entzugssyndrom. Das heisst, wenn der Körper sich gewöhnt hat, braucht er diese Dosis, um nicht negative Folgen zu haben. Und eine Vernachlässigung von sozialen Aktivitäten führt dazu, dass dann, wenn die Sucht einen so ganz in den Griff bekommen hat, dann macht man alles und das ganze Leben dreht sich nur noch um die Substanz, die zu beschaffen, zu konsumieren.
00:10:57:00 - 00:11:15:17
Marc Walter
Und das letzte ist, man weiss eigentlich, das ist quasi wie negative Folgen hat und trotzdem konsumiert man weiteres. Wenn Sie drei von diesen Kriterien erfüllen, innerhalb von einem Jahr, dann würde man von einem Abhängigkeitssyndrom sprechen. Und das kann von Cannabis sein. Es kann von Alkohol sein, das kann von Heroin sein.
00:11:15:19 - 00:11:20:05
Catherine Weyer
Sie haben es vorher kurz angetönt: Es gibt auch ein Nutzen von Cannabis. Wo sehen Sie denn den?
00:11:20:07 - 00:11:44:24
Marc Walter
Wenn man die Konsumenten Konsumenten fragt, warum sie das nehmen, dann ist. Das sind die häufigsten Gründe dafür, dass es entspannt, dass sie besser schlafen können und dass die Stimmung sich verbessert. Und das werden jetzt mal auf dem psychischem Bereiche. Wenn wir jetzt noch weitergehend sagen, Medizinal-Cannabis hilft natürlich auch bei Schmerzen, zum Beispiel chronischen Schmerzen drum und bei vielen anderen somatischen Erkrankungen noch.
00:11:44:24 - 00:12:16:20
Marc Walter
Aber wenn wir jetzt noch mal diese nehmen, dann würden wir davon sprechen, dass es ein Selbstmedikation ist, wenn zum Beispiel Stresssymptome da sind, Menschen nicht schlafen können, aufgeregt sind, innerlich unruhig sind, vielleicht auch leicht depressiv. Wir wissen auch durch Studien, dass auch depressive Symptome mit Cannabis beantwortet werden, Cannabiskonsum. Und das sind alles Faktoren oder Zustände, die dazu führen, dass das die Menschen zum Cannabis greifen.
00:12:16:20 - 00:12:19:24
Marc Walter
Und um das zu regulieren, sich besser zu fühlen.
00:12:20:01 - 00:12:28:04
Catherine Weyer
Wenn wir von Schlafstörungen sprechen das wären ja Dinge, die diese Leute auch in den Griff bekommen könnten mit Psychopharmaka. Ja, das wäre dann der legale Weg, oder nicht?
00:12:28:06 - 00:12:53:20
Marc Walter
Das stimmt. Wobei Psychopharmaka sollte man bei Schlafstörungen eigentlich auch nicht als erstes nehmen, weil die Psychopharmaka, die sehr hilfreich sind, zum Einschlafen, die alle auch abhängigkeitsmachend sind. Und das ist natürlich noch in Abhängigkeit, ja wir noch gar nicht besprochen in Abhängigkeit von Schlafmitteln oder von Beruhigungsmitteln, die auch die gleichen Symptome erzeugen, nämlich Entzugssymptome. Und ob das jetzt so hilfreich ist, weiss ich nicht unbedingt.
00:12:53:22 - 00:13:02:20
Catherine Weyer
Und wenn sie jetzt eine Legalisierung von Cannabis gibt, wäre es dann möglich, dass ein Arzt seine Patientin bei Schlafstörungen Cannabis verschreibt?
00:13:02:22 - 00:13:04:18
Marc Walter
Rein theoretisch wäre das möglich.
00:13:04:20 - 00:13:05:19
Catherine Weyer
Wäre das auch sinnvoll?
00:13:06:00 - 00:13:34:08
Marc Walter
Das kann ich jetzt noch nicht sagen, weil wir müssen jetzt erst mal abwarten, was diese Studie an Ergebnissen bringt, wie gross das Risiko einer Abhängigkeitsentwicklung ist, was es für Risikofaktoren gibt, dafür, dass man vielleicht auch unterscheidet mit verschiedenem THC Dosierungen, also Konzentration, ob es schädlichere Cannabis-Sorten gibt oder nicht und was es für Möglichkeiten gibt, zum Beispiel das so regulieren.
00:13:34:08 - 00:13:46:00
Marc Walter
Und wenn wir dann wissen tatsächlich und es gibt ein Gesetz und es kommt eine Legalisierung, dann braucht es noch ganz viele Schritte. Erst über Swissmedic als Medikament, dass es zugänglich wird.
00:13:46:02 - 00:13:54:05
Catherine Weyer
Wie genau werten Sie diese Studie aus? Also diese Leute, die können in der Apotheke Cannabis beziehen und dann, was passiert die nächsten zweieinhalb Jahre?
00:13:54:07 - 00:14:20:10
Marc Walter
Wir werden das erst mal beobachten, natürlich. Und die die ganzen Ergebnisse sammeln und dann werden wir nachher untersuchen. Tatsächlich, wenn sie in Apotheke das beziehen, ob sich etwas verändert und die Fragestellung wäre: Verändert sich etwas zum Beispiel beim Schlaf. Wenn Sie dann in der Apotheke beziehen, verändert sich etwas in Ihrer Depressivität. Wenn Sie eine Apotheke beziehen. Und diese Dinge könnte man dann auswerten und feststellen.
00:14:20:12 - 00:14:45:04
Marc Walter
Ja, anhand unserer Studie. Man muss immer sagen, es sind nur knapp 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das ist natürlich noch nicht die Grundgesamtheit, aber in unserer Basler Pilotstudie würde man sehen, dass tatsächlich die meisten profitieren von einer Regulierung von einer Abgabe in Apotheke. Wenn das der Fall wäre, würde das zum Beispiel für eine Regulierung von Cannabis sprechen.
00:14:45:06 - 00:14:53:09
Catherine Weyer
Profitieren sie davon, dass das Cannabis selbst reiner ist, oder auch davon, dass sie in einer Apotheke mit Fachpersonal konfrontiert sind?
00:14:53:11 - 00:15:28:15
Marc Walter
Es ist sicherlich beides. Also rein ist es, tatsächlich sogar Bio zertifiziert. Es ist angebaut in der Schweiz. Es ist ein Produkt, was auch nachgewiesenermassen das enthält, was es vorgibt zu enthalten. Wir konnten prüfen, dass der THC-Gehalt, der CBD-Gehalt genau dem entspricht, was die Firma auch vorgegeben hat. Und das ist natürlich so ähnlich wie beim Wein auch wenn sie Wein trinken, sind sie auch was für Alkohol drin ist, wo der angebaut wird usw. Und in diese Richtung könnte ich mir vorstellen, dass sich das entwickelt.
00:15:28:17 - 00:15:47:20
Marc Walter
Für die ganz vielen Menschen, die kein Problem im Cannabis haben, dass Cannabis mehr oder weniger eine Substanz wird, die wir für Freizeitzwecke benutzen, aber die auch bei leichten Symptomen helfen kann, zum Beispiel beim Schlafen oder zur Entspannung. Ähnlich wie das ja viele auch beim Wein nutzen.
00:15:47:22 - 00:15:53:23
Catherine Weyer
Was sind das für Proband*innen, die sie da ausgesucht haben? Welche Kriterien mussten Sie mitbringen, um bei der Studie teilzunehmen?
00:15:54:00 - 00:16:30:09
Marc Walter
Ausschlusskriterium ist zum Beispiel, dass Patienten nicht akut psychiatrisch in stationäre Behandlung sind, dass sie keine akute Suizidalität aufweisen, dass sie keine Psychose haben, dass sie nicht schwanger sind, dass sie Deutsch sprechen können, dass sie über 18 sind, was auch sehr wichtig ist, dass der Jugendschutz gewährleistet ist und dass sie wohnhaft in Basel Stadt sind. Das sind die Voraussetzungen gewesen und alle die, die das erfüllt haben, die sind von einem Studienarzt noch mal befragt worden, vor allen Dingen, um das Psychoserisiko aus auszuschliessen und diejenigen sind dann in die Studie eingeschlossen worden.
00:16:30:11 - 00:16:33:04
Catherine Weyer
Wie sieht ein typischer Proband Ihrer Studie aus?
00:16:33:06 - 00:17:09:13
Marc Walter
Der typische Proband unserer Studie ist im Mittelalter, also so etwa 40-45 Jahre arbeitet. Wir haben sehr viel arbeitstätig in der Studie. 2/3 unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben einen Job und sind berufstätig, Vollzeit oder Teilzeit. Viele haben einen einen hohen Abschluss, 1/3 haben sogar einen Hochschulabschluss. Das heisst, man würde davon ausgehen, dass wir sozial integrierte, berufstätige Konsumenten in der Studie eingeschlossen haben.
00:17:09:15 - 00:17:21:02
Marc Walter
Die Mehrzahl hat recht wenig psychische Symptome, die auch keinen Krankheitswert haben, sodass wir davon ausgehen, dass sowohl sozial als auch psychisch unsere Stichprobe recht gesund ist.
00:17:21:08 - 00:17:24:19
Catherine Weyer
Und was ist die Begründung für den Cannabiskonsum bei diesen Probanden?
00:17:24:20 - 00:17:38:01
Marc Walter
Die meisten geben eben an, dass sie leichte Symptome, die sie haben, Schlafprobleme oder Stresssymptome angeben und dass die Motive und die Gründe dafür sind, das Cannabis zu konsumieren.
00:17:38:03 - 00:17:41:02
Catherine Weyer
Wie sammeln Sie die Ergebnisse innerhalb der Studie?
00:17:41:04 - 00:18:10:24
Marc Walter
Wir haben den Einschluss vor Ort gemacht im ambulanten Studienzentrum und wir haben nach. Nach einem Jahr und zum Abschluss der Studie auch face-to-face Interviews, wo die Teilnehmerinnen Teilnehmer tatsächlich in das Studienzentrum kommen und wir Interviews durchführen und alle anderen Untersuchungszeitpunkte sind, sind online. Das heisst, dass die Personen jedes halbe Jahr zwingend eine Onlinebefragung durchführen müssen, um weiter an der Studie teilzunehmen.
00:18:11:01 - 00:18:44:13
Marc Walter
Und dort gibt es bestimmte Fragebögen, die sich im Übrigen auch übereinstimmen mit den anderen Pilotprojekten aus anderen Schweizer Städten. Dass die Ergebnisse auch gepoolt werden können. Und da sind Fragen zur psychischen Gesundheit, psychische Symptome zur Lebensqualität, zu körperlichen Beschwerden, zu Suizidalität und auch zur Zufriedenheit mit der Regulierung, mit den Produkten. Und diese Fragen werden dann eben in dieser Zeit beantwortet und sind die Grundlage für unsere Studie.
00:18:45:23 - 00:18:59:08
Catherine Weyer
Sie konkurrieren ja eigentlich mit dem Schwarzmarkt, wenn Sie das Cannabis verkaufen. Wie geht man damit um, dass man einen Preis festlegen muss und gar nicht so richtig weiss, für wie viel Geld, das auf dem Schwarzmarkt gehandelt wird?
00:18:59:10 - 00:19:28:12
Marc Walter
So ungefähr wissen wir das schon. Es gibt natürlich da auch Erkenntnisse, die wir einbezogen haben. Und wir haben gesagt, wir wollen es etwa an diesem Schwarzmarktpreis angleichen, was etwa zehn Franken sind Programm und aber auch einbeziehen, dass höhere THC-ghaltige Produkte teurer sind und mit weniger THC günstiger. Das heisst, wir haben eine Spanne von 8 bis 12 Franken, je nach Produkt, und das würde in etwa dem Schwarzmarktpreis entsprechen.
00:19:28:14 - 00:19:55:11
Marc Walter
Was aber interessante Frage ist, die Sie da stellen, nämlich wie verändert sich der Schwarzmarkt? Dadurch, dass es diese Studie gibt und Pilotversuche überall in verschiedenen Schweizer Städten gibt. Wir nehmen an, dass es. Dass der Schwarzmarkt schon weiter existiert, natürlich. Aber was bedeutet das? Wird er zurückgedrängt? Ist das weniger, werden die Preise vielleicht günstiger auf dem Schwarzmarkt? Das wissen wir alles noch nicht.
00:19:55:11 - 00:19:59:23
Marc Walter
Und sind wir gerade am Testen und schauen, wie sich das entwickelt?
00:20:00:00 - 00:20:14:19
Catherine Weyer
Sollte Cannabis legalisiert werden bei der Regulierung, sollte man sich da dann an Drogen wie Alkohol orientieren? Braucht es da ganz andere Kriterien? Oder müsste man vielleicht auch sagen, wir müssen auch bei den legalen Drogen an der Regulierung noch schrauben?
00:20:14:21 - 00:20:38:19
Marc Walter
Bei den legalen Drogen ist schon viel gemacht worden, also siehe Werbeverbot zum Beispiel oder die Aufdruck. Und da ist es eigentlich schon vermerkt, dass das die Regulierung stärker geworden ist bei den Substanzen. Und es hat auch tatsächlich schon Effekte gehabt. Beim Cannabis wäre ich stand jetzt sehr dafür, dass man es weiterhin bei Fachpersonal abgibt. Das wäre vielleicht auch schon eine Regulierung.
00:20:38:21 - 00:21:03:11
Marc Walter
Es müssen vielleicht keine Apotheken sein, aber vielleicht Fachgeschäfte, wo Personen auch sind, die sich auskennen damit. Also es ist nicht quasi einfach auf dem Markt geworfen wird, dass man es im Supermarkt kaufen kann, dass es noch eine Möglichkeit gibt, dort wie so eine Schwelle auch einzusetzen, Personen vielleicht auch zu registrieren, wer ein Risiko hat oder wer eher in Richtung Abhängigkeit läuft.
00:21:03:13 - 00:21:30:08
Marc Walter
Ich könnte mir das so etwa vorstellen. So ähnlich wie die CBD-Shops, die es jetzt schon gibt, dass es solche solche Abgabestellen gibt, die in gewisser Weise noch eine andere Regulierung haben. Es gibt auch Überlegungen Richtung Non-Profit-Organisation, dass man es in diese Richtung macht. Dann würde natürlich wegfallen, dass man auch, dass der Staat damit Geld verdient im grösseren Masse, wie das quasi in so Fachgeschäften möglich sein könnte.
00:21:30:13 - 00:21:31:17
Catherine Weyer
Über Steuern.
00:21:31:19 - 00:21:32:21
Marc Walter
Über Steuern? Genau.
00:21:32:23 - 00:21:39:03
Catherine Weyer
Und wie sieht es beim Jugendschutz aus? Weil letztendlich sind ja Drogen auch vor allem ein Problem von Jugendlichen, die ausprobieren.
00:21:39:05 - 00:22:02:12
Marc Walter
Ja, es gibt vor allen Dingen Kinder- und Jugendpsychiater. Die, die schätzen das gar nicht. Auch diese Studien und die Regulierung, weil sie davon ausgehen, dass vor allen Dingen natürlich die Jugendlichen dann vermehrt Cannabis konsumieren, wenn es mehr verfügbar ist. Auch wenn wir den Jugendschutz haben, gibt es Überlegungen zu Fragen Ja, wird da nicht das Cannabis weitergegeben von Personen, die es dann konsumieren können?
00:22:02:14 - 00:22:25:16
Marc Walter
Das müssen wir untersuchen. Es gibt jetzt noch sehr inkonsistente Ergebnisse aus Kanada, USA, wie stark das ansteigt und dann vor allen Dingen steigt das bei den Personen an, die jetzt schon problematisch konsumieren. Oder steigt das eher bei den Personen an den relativ normalen Konsum haben? Das würde uns nicht sehr erschüttern in dem Masse. Und welche Folgen hat das?
00:22:25:16 - 00:22:57:19
Marc Walter
Zum Beispiel Folgen für Hospitalisation oder vermehrte Inanspruchnahme von Dienstleistungen, Notfallstation oder Unfälle? Das sind alles Sachen, die, die wir uns gut anschauen müssten. Jetzt ist es ja bei 18 die Grenze und es gibt auch schon Stimmen, die sagen, man sollte vielleicht die Grenze hochsetzen, dass man sagt, dass wir die die Person, die ja auch einen hohen Konsum haben, eher noch ausschliessen aus dieser Regelung und dann vielleicht mit 20 zum Beispiel starten oder 21.
00:22:57:21 - 00:23:00:24
Catherine Weyer
Aber würden dann die Jugendlichen nicht einfach wieder auf den Schwarzmarkt ausweichen?
00:23:01:00 - 00:23:20:09
Marc Walter
Genau das wäre ja das gegenteilige Argument. Und das war letztlich auch das Argument, das dafür gesprochen hat, dass wir es ab 18 versuchen. Und dann muss man die Ergebnisse mal abwarten, wie sich die Jugendlichen entwickeln und wie die jungen Erwachsen, wie das Konsummuster aussieht und dann dementsprechend weitere Konsequenzen ziehen.
00:23:20:11 - 00:23:28:06
Catherine Weyer
Sie haben gesagt, Sie möchten der Studie nicht vorgreifen. Es ist noch zu früh für Ergebnisse, aber Sie als Wissenschaftler: Wären Sie für eine Legalisierung des Cannabis.
00:23:28:08 - 00:23:33:22
Marc Walter
Gerade als Wissenschaft muss ich sagen Ich würde gerne abwarten, wenn Sie mich schon so ansprechen.
00:23:34:03 - 00:23:35:13
Catherine Weyer
Abwarten bis wann?
00:23:35:15 - 00:23:59:07
Marc Walter
Bisher, Bis wir die ersten Resultate haben. Das wäre in einem Jahr, da hätten wir die ersten Resultate. Die Studie geht jetzt noch zwei Jahre und dann muss man noch abwarten, was natürlich die anderen Pilotprojekte machen. Ich weiss, es gibt auch schon Vorstösse seitens der Politik, das vorher zu legalisieren. Es wäre aber doch schön, wenn man jetzt diesen Weg schon gegangen ist, zu schauen:
00:23:59:13 - 00:24:23:10
Marc Walter
Was zeigen denn die ersten Resultate überhaupt? Haben wir einen Anstieg von Konsum, wovon wir derzeit ausgehen? Haben wir einen Anstieg von einem problematischen Konsum, was nicht gesichert ist? Haben wir eine Verbesserung der Lebensqualität und der psychischen Gesundheit durch die Regulierung, wovon ich derzeit ausgehe. Und das muss man alles ins Kalkül einbeziehen, um daraus dann Entscheidungen zu treffen.
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Catherine Weyer
Herr Walter, vielen herzlichen Dank.
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Marc Walter
Danke Ihnen!
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Catherine Weyer
Das war Unisonar, der Wissens-Podcast der Universität Basel. Wir freuen uns über Ihr Feedback auf podcast@unibas.ch oder auf unseren Social Media Kanälen. In der nächsten Folge spricht der Betäubungsmittelrechtsexperte Stefan Schlegel über Repression und Schadensminderung, was wir vom Alkoholverbot in den USA lernen können und wieso 20 Gramm Kokain härter bestraft werden als 100 Kilo Kath. Bis bald.